Umzüge können zermürbend sein, und wenn sich dann noch der Vormieter weigert, seinen klobigen Wandschrank aus dem Schlafzimmer zu entfernen, ist Ärger vorprogrammiert – schließlich braucht das Bett auch noch Platz.

Amir Shaheen

Noch zweimal einpacken bis Südterrasse

Der Kölner Schriftsteller Amir Shaheen hat mit „Noch zweinmal einpacken bis Südterrasse“ ein herrlich humorvolles Buch übers Umziehen geschrieben – Schlafen Aktuell stellte er ein Kapitel übers Schlafzimmer zur Verfügung, das hier erstmals erscheint.

Die Wohnung, hatten wir verstanden, würde quasi renoviert übergeben.
Er müsse nicht renovieren hatte der Vormieter erklärt, er habe vor einem Jahr erst gestrichen. Das stimmt. Allerdings mit bunter Farbe. Nein, das gehe auf keinen Fall, hatte die Verwalterin beschwichtigt, selbstverständlich würden insbesondere die schwarzen Heizkörper und die roten Wände weiß gestrichen. Wir hatten das geglaubt. Der Vormieter nicht. Folglich verläuft die Übergabe am letzten Apriltag in den fröhlich bunten Räumen in äußerst frostiger Atmosphäre. Die heizt sich allerdings recht bald auf, denn der Rundgang offenbart zahlreiche Mängel, mit denen niemand, und wir schon gar nicht, hatte rechnen können.

Eine Überraschung erwartet uns auch in dem Raum, der unser Schlafzimmer werden soll.
„Was ist das denn?“, entfährt es Claudia.
„Der Wandschrank natürlich!“, meint der Vormieter leicht genervt.
„Das sehe ich selbst! Aber wieso ist der hier?“
„Den haben wir hier eigens eingebaut! Der füllt die Nische komplett aus.“
„Das seh‘ ich auch, ich bin ja nicht blind!“ Claudia ist mehr als nur leicht genervt.
„Ich dachte, Sie könnten den gut gebrauchen!??“
„Nee, können wir nicht. Ganz bestimmt nicht. Bitte entfernen Sie den.“
„Aber Sie hatten doch gesagt, das sei überaus praktisch!“, entrüstet er sich.
„Sie wollen doch jetzt wohl nicht etwa aus meiner allgemeinen Aussage bei der Besichtigung ableiten, dass wir den Schrank übernehmen wollten?“
„Der Schrank muss raus!“, schaltet sich nun die Verwalterin ein. „Das ist Ihre Aufgabe!“ Sie sieht den Vormieter streng an. Dabei wirkt sie eher lächerlich, aber ihre Worte haben Gewicht.

Ein Wandschrank wäre grundsätzlich an dieser Stelle durchaus sinnvoll und zweifellos überaus praktisch. Aber nicht für uns. Denn wir haben entschieden, dass dieser – außer dem riesigen Wohnzimmer – einzige nach hinten raus liegende Raum unser Schlafzimmer werden soll. Das kann er nur, wenn auch unser Bett hier steht. Und das könnte, selbst ohne Wandschrank mit nach vorn zu öffnenden Türen, schwierig werden. Im Mittelpunkt steht also das Bett. Ein Schlafzimmer ohne Bett – das ist wie eine Küche ohne Herd: ziemlicher Stuss!

Das Schlafzimmer ist eigentlich zu schmal.
Mit dem Aufbau unseres Bettes drei Wochen später erhärtet sich diese Vermutung zur zweifelsfreien Gewissheit. Der Wandschrank ist verschwunden, die Nische rechts neben der Zimmertür vollständig leer. Die Nische ergibt sich dadurch, dass in dem angrenzenden Raum ein Badezimmer mit Dusche eingebaut worden ist. Hinter der Seitenwand der Nische befindet sich folglich im Badezimmer die Duschkabine.

Unser Bett muss hier rein, alle anderen Räume liegen nach vorn raus, zur Straße. Wir haben das Bett in dem leeren Zimmer aufgebaut, einen Massivholzrahmen mit den Maßen 180 x 200 Zentimeter. Ein Kleiderschrank wird später noch an der Wand links der Zimmertür stehen, das war’s dann. Mehr geht nicht rein. Sonst kann man sich nicht mehr bewegen. Genau genommen können wir uns schon jetzt kaum bewegen. Claudia und ich stehen uns gegenüber, zwischen uns das Bett. Das steht nicht allein im Mittelpunkt unserer Bemühungen, sondern auch mitten im Raum. Mit seinem Kopfteil an der der Nische gegenüberliegenden Wand, so dass am Fußende, links und rechts der Nische, zwischen Bettrahmen und Wand jeweils nur ein schmaler Durchgang freibleibt. Eine beleibte Person käme hier keinesfalls hindurch, könnte also den Balkon nur erreichen, wenn sie über das ganze Bett rollt. Andernfalls würde sie mit hoher Wahrscheinlichkeit von Bett und Wand derart eingekeilt, dass sie sich aus dieser Lage allein kaum mehr befreien könnte. Es ist offensichtlich, das Schlafzimmer ist zu schmal für unser Bett.

„So kann das auf keinen Fall stehen bleiben.“
„Okay. Was schlägst Du vor?“
„Lass es uns schräg in die Nische drehen.“
Das Kopfteil stünde dann in der Nische, der Durchgang wäre an der gegenüberliegenden Wand. Wir drehen den Rahmen so, dass die obere linke Ecke des Bettes so weit wie möglich in die Nische reicht. Dadurch wird der Platz am linken Fußende des Bettes viel größer, am rechten allerdings wird er umso enger. Wir versuchen es andersherum, obere rechte Ecke so weit wie möglich in die Nische. Das Ergebnis ist nun genau umgekehrt. Wir drehen und schieben und variieren den Winkel mehrfach, aber es bleibt alles gleichermaßen unpraktisch. An einer Ecke wird es immer arg eng. Zu eng. Das Schlafzimmer ist einfach zu schmal.
Schließlich kapitulieren wir. Das Bett, der unübersehbare Mittelpunkt des Raums, findet seine endgültige Position. In einem ungewohnten Winkel irgendwie in der Nische, ragt es von dort schräg ins Zimmer – und beherrscht es vollständig. Was soll‘s, hat nun mal nicht jeder eine Schlafnische daheim.

Acht Wochen später sehen wir ein, dass eine Schlafnische ziemlicher Quatsch ist. Zumindest in Ausmaßen wie die der unsrigen. Das Bett wandert zurück in die erste Position, mit seiner Kopfseite an der Wand und den engen Durchgängen links und rechts am Fußende. Die Nische steht leer. Auch die Wand links der Tür ist noch leer. Der Platz ist für Johan reserviert, aber irgendwie findet Johan seinen Weg zu uns nicht. Unsere Kleidung lagert in Kartons und Koffern.
Claudia erklärt diesen Zustand für unhaltbar und kündigt an, sie wolle am nächsten Wochenende Abhilfe schaffen.
„Du weißt doch, dass ich dann nicht da bin“.
„Mach dir keine Gedanken, dass schaffe ich allein.“

Am Sonntagabend empfängt mich Claudia gut gelaunt.
Als ich mich im Schlafzimmer meiner Klamotten entledigen will, erwartet mich eine Überraschung. Die Nische wird fast vollständig ausgefüllt von einer dieser einsilbigen, dienstbaren schwedischen Kreaturen. Brum oder Bröm oder Bräm, eine Art Holzregal mit Kleiderstange in der Mitte und Fächern rechts und Leinenüberwurf rundherum, hat einen Teil unserer Kleidung und vor allem jede Menge Handtücher in sich aufgenommen.
Der Durchgang am Fußende des Bettes ist dadurch nunmehr auf der ganzen Breite extrem schmal.
„Was ist das denn?“, frage ich.
„Ein Wandschrank natürlich nicht“, meint Claudia, „aber überaus praktisch!“

Das Buch: Amir Shaheen „Noch zweimal einpacken bis Südterrasse“, Sujet Verlag Bremen, 175 Seiten, 13,80 Euro, ISBN 978-3-944201-09-2

Text: © Amir Shaheenn